„Zukunft erwirtschaften“ – Konferenz zum 40. Geburtstag entwicklungspolitischer Organisationen in BaWü

Drei entwicklungspolitische Organisationen in Baden-Württemberg feierten am vergangenen Samstag ihren 40. Geburtstag mit einer Konferenz. Gemeinsam mit Experten suchten sie Antworten auf die Frage, wie die Wirtschaft von morgen gestaltet werden muss, um entwicklungspolitischen Zielen endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Die Jubilare luden zur Konferenz „Zukunft erwirtschaften: zwischen Weltgemeinwohl und Freihandel. Konferenz zum EU-Jahr der Entwicklung 2015“. Der Einladung in die Stuttgarter Jugendherberge folgten rund 100 Mitglieder, Interessenten, Freunde und Freundinnen der drei Jubilare: Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V. (DEAB e.V.), Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. und Zentrum für entwicklungsbezogene Bildung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (ZEB).

„Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns mit Hunger, der Chancenungleichheit, der übergroßen Macht der Konzerne“, sagte Claudia Duppel, Geschäftsführerin des Dachverbands Entwicklungspolitik Baden-Württemberg (DEAB). „Dennoch haben heute 0,2 Prozent der Weltbevölkerung rund 50 Prozent des börsennotierten Vermögens.“ Benötigt werde ein Up-Date, so Duppel. „Wir wollen heute Gegenkonzepte präsentieren, wir möchten Hoffnungszeichen sichtbar machen“. Tatsächlich zeigte die Tagung, dass sowohl von Seiten der Politik als auch der Zivilgesellschaft vielversprechende Ansätze vorhanden sind. Doch sie machte auch deutlich: Diese genügen nicht. Alte Denkweisen müssen verlassen  und neue Wege beschritten werden.

„Wir sind noch nicht aus dem Kolonialsystem ausgestiegen“. Der Philosoph und Theologe Dr. Boniface Mabanza machte in einer berührenden Rede die engen Verflechtungen zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Deutschland deutlich. Seit der Kolonialsierung dienten die Rohstoffe des afrikanischen Landes den kapitalistischen Ländern zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse, so Mabanza.  Auch heute sei die DR Kongo aufgrund ihrer Rohstoffe Teil des deutschen Alltags. Diese Beziehung habe auf der einen Seite Tote und Umweltzerstörung zur Folge, auf der anderen eine einseitige Medienberichterstattung, die das afrikanische Land nur unter der Prämisse „Krise“ darstelle. Unberücksichtigt bleibe, dass das Leben der Kongolesen bestimmt sei von einer Lebensfreude, die Mabanza als „Kategorie der Bejahung und des Widerstands“ bezeichnete. Um angesichts der tiefen globalen Krisen sinnvoll zu agieren, müssten alle intellektuellen, spirituellen und moralischen Ressourcen der Menschheit  freigelegt und alte Muster verlernt werden.  Mabanza empfahl: „Am besten sind wir in einem Kontext aktiv, den wir kennen. Am besten kennen wir den deutschen Kontext. Von hier müssen wir ausgehen“.

Die Europaabgeordnete Maria Heubuch, MdEP, bestätigte, dass die Handelspolitik eine neue Grundlage brauche. „Die Logik der EU, dass Handel Wachstum fördert und somit auch Entwicklung und Armutsbekämpfung ist oft nicht gewährleistet“. Zwar erkläre der Lissabon-Vertrag die Armutsbekämpfung zum Hauptziel der europäischen Entwicklungspolitik, die Wirklichkeit sähe anders aus, denn „Wir denken die Dinge nicht zusammen.“ Insbesondere die Wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen (EPAs) zeigten am Beispiel Westafrikas  die Inkohärenz der EU-Handelspolitik mit den Entwicklungszielen. Nötig sei es, bei allen Handels- und Investitionsabkommen unabhängige menschenrechtliche Folgeabschätzungen vorzunehmen und Menschenrechtsklauseln festzusetzen. Darüber hinaus müsse die Handelspolitik transparenter und demokratischer gestaltet werden. Ein Umdenken sei dafür bis hinein in die Universitäten unerlässlich.

Auch Prof. Dr. Angelika Zahrnt, Ökonomin und Ehrenvorsitzende des BUND, betonte die Widersprüchlichkeit politischer Ziele. Bereits bei der Konferenz zu Umwelt und Entwicklung in Rio 1992  wurde das Leitbild der Nachhaltigkeit ausgerufen, doch im Zweifel setze die Politik nach wie vor auf wirtschaftliches Wachstum. Die resultierenden ökologischen und sozialen Probleme, wie beispielsweise Klimawandel, sinkende Biodiversität, Armut, soziale Ausbeutung seien unverkennbar. Das Bewusstsein steige, aber Konsequenzen blieben aus. Stattdessen werde dem Problem mit dem schönen Begriff nachhaltiges Wachstum begegnet. Alles spreche dafür, dass die ökologischen Ziele damit nicht zu erreichen seien. Die Transformation hin zu einer Postwachstumsgesellschaft vor allem in den wachstumsabhängigen Bereichen müsse endlich beginnen, so Zahrnt.

Ein Beispiel für eine gelebte Transformation machte Anaim Gräff, Architektin und Trainerin des Transition Netzwerk e.V., sichtbar. Sie schilderte die Kennzeichen einer Transition-Town, bei der Kopf, Herz und Hand gleichermaßen einbezogen werden. Darüber hinaus würden wichtige ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt, so Gräff. So werde in der Transition-Town beispielsweise eine Bauweise im Hinblick auf eine Postoil-Gesellschaft umgesetzt.

Arbeitsgruppen gaben die Möglichkeit, die Themen zu vertiefen. Sie zeigten auch: Die Zivilgesellschaft setzt bereits viele erfolgsversprechende Projekte hin zu einer Großen Transformation um. 

Kontakte

Claudia Duppel, Geschäftsstelle des DEAB e.V., Vogelsangstraße 62, 70197 Stuttgart, Telefon 0711/66487360, E-Mail: info*@deab.de

Pfr. Ralf Häußler, Zentrum für Entwicklungsbezogene Bildung (ZEB), Büchsenstr. 33, 70174 Stuttgart, Tel.: 0711/229363-246 (Ralf Häußler), 0711/229363-221 (Sekretariat, Jutta Meyer), E-Mail: zeb*@elk-wue.de

Ulrike Pfab, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Oikocredit Förderkreis Baden Württemberg e.V., Vogelsangstraße 62, 70197 Stuttgart, Tel. 0711/12 00 05 14, E-Mail: upfab*@oikocredit.de

Faire Kaffeepause im Landtag – 10 Jahre Entwicklungspolitische Leitlinien

Im Rahmen der Fairen Woche hatten wir vom DEAB in Kooperation mit der SEZ am 28.09.2022 die Abgeordneten des Landtags zu einer Fairen Kaffeepause mit Burundi-Kaffee eingeladen.

„The Fair Länd“ - 10 Jahre Entwicklungspolitische Leitlinien sind ein guter Anlass zu zeigen, welchen Beitrag wir zu ihrer Umsetzung leisten und mit den Abgeordneten über die Leitlinien ins Gespräch zu kommen.

Zitate der Entwicklungspolitischen Sprecher

„Die Entwicklungspolitischen Leitlinien sind die Richtlinie und der Auftrag für globale Verantwortung in Baden-Württemberg. Ihre Verwirklichung wird von der SEZ als zentraler Akteurin und Förderin und dem DEAB als entwicklungspolitischem Landesnetzwerk der Tausenden von Akteur:innen getragen. Eine ambitioniertere Entwicklungspolitik des Landes muss dafür sorgen, dass dieses Engagement all seine Kraft entfalten kann und somit noch deutlich mehr bwirkt!“  Sebastian Cuny, MdL, Entwicklungspolitischer Sprecher, Fraktion SPD im Landtag von BW

 

„Entwicklungszusammenarbeit ist für mich eine Querschnittsaufgabe und wesentlicher Bestandteil einer an Nachhaltigkeit ausgerichteten Landespolitik. Wir haben das Glück, bei dieser Aufgabe auf das starke Engagement der zivilgesellschaftlichen Einrichtungen zählen zu können, mit denen wir seit vielen Jahren auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Mit den Entwicklungspolitischen Leitlinien haben wir dafür gemeinsam eine gute und zukunftsweisende Grundlage geschaffen. Wir dürfen gerade jetzt unsere globale Verantwortung, was zum Beispiel die Lebensmittelsicherung in der ganzen Welt betrifft, nicht aus den Augen verlieren.“  Josha Frey, MdL, Entwicklungspolitischer Sprecher, Fraktion GRÜNE im Landtag von BW

 

„Besonders wichtig sind mir persönlich Themen wie Naturschutz und nachhaltige Landwirtschaft vor Ort. Das Engagement der Zivilgesellschaft, also der sogenannte bottom up approach ist essentiell für eine nachhaltige Umsetzung aller Projektideen. Umso näher ein Projekt an der Zivilgesellschaft und den konkreten Bedingungen vor Ort dran ist und deren Lebenswelten kennt, umso umsetzbarer und nachhaltiger ist das Projekt. Dafür braucht es Engagement von mindestens zwei Zivilgesellschaften – genau dafür schätze ich die Arbeit des/der DEAB / SEZ.“  Georg Heitlinger, MdL, Entwicklungspolitischer Sprecher, Fraktion FDP/DVP-Fraktion im Landtag von BW

 

„Global denken – lokal handeln. Dafür stehen seit nunmehr zehn Jahren die Entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes und tragen damit maßgeblich dazu bei, das Thema Entwicklungszusammenarbeit stärker in den Fokus der Landespolitik zu rücken und dort als Querschnittsaufgabe aller Ressorts zu verankern. Die Leitlinien sind zudem eine Blaupause für das Zusammenwirken aller Akteure. Denn klar ist: Engagement und Verantwortung können nur als gemeinsame Aufgabe von Zivilgesellschaft und Politik erfolgreich wahrgenommen werden." Dr. Albrecht Schütte, MdL, Entwicklungspolitischer Sprecher, Fraktion CDU im Landtag von BW