Rettet das Friedensprojekt Europa! Aufruf an das Europäische Parlament

Der DEAB hat den Aufruf „Rettet das Friedensprojekt Europa!“ mitgezeichnet. Wir dokumentieren hier eine etwas gekürzte Fassung des Textes.

„Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“
(Art. 3, Vertrag von Lissabon)

Die Europäische Einigung brachte nach dem Zweiten Weltkrieg Versöhnung zwischen Feinden. Damit wurde die Europäische Union weltweit zum Friedensprojekt mit Vorbildcharakter. Heute brauchen wir dringender denn je eine Europäische Union, die für Frieden und Menschenrechte eintritt – zu Hause und jenseits ihrer Grenzen. Doch ab 2021 sind Milliardeninvestitionen für die europäische Rüstungsindustrie, gemeinsame Militäreinsätze und noch mehr Grenzsicherung geplant. Die Förderung von Frieden und Menschenrechten droht der Abwehr von Migration und Flucht zum Opfer zu fallen. Wir sind überzeugt, dass die Europäische Union die Herzen ihrer Bürgerinnen und Bürger nur als Friedensprojekt und nicht als Militärmacht gewinnen wird.

Darum fordern wir die Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf:

  • Setzen Sie sich für eine Europäische Union ein, die bedingungslos für Frieden und Menschenrechte eintritt.
  • Setzen Sie sich dafür ein, dass die Europäische Union am Friedensprojekt Europa festhält und nicht zur Militärmacht wird.
  • Lassen Sie nicht zu, dass die Europäische Union zur Abwehr von Flüchtenden und Migration Staaten aufrüstet, die Krieg führen oder Menschenrechte verletzen.
  • Stärken Sie die Mittel der Europäischen Union zur Förderung der gewaltfreien Konfliktbearbeitung und der Menschenrechte.

Warum ist das wichtig? Hintergrund & Argumente

Das Europäische Parlament und der Europäische Rat verhandeln 2019 über den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027. Diese Entscheidung wird die europäische Politik in den nächsten Jahren maßgeblich prägen.

Es ist zu befürchten, dass das Parlament und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sich dem Druck rechtspopulistischer Bewegungen beugen und in Zukunft noch mehr in die Abschottung der Außengrenzen und in militärische Sicherheitspolitik investieren: Ab 2021 sind neue Milliardenausgaben in gemeinsame Rüstungsprojekte, mehr gemeinsame Militäreinsätze und der Ausbau der Grenzsicherung geplant.

Die Förderung des Friedens und der Menschenrechte soll eingeschränkt werden, und sie droht vor allem zur Migrationsabwehr instrumentalisiert zu werden. Im Entwurf der Europäischen Kommission von Juni 2018 für die Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten über den Finanzrahmen sind nur 1 Milliarden Euro statt bislang 2,3 Milliarden Euro für gewaltfreie Konfliktbearbeitung vorgesehen.

Warum die Europäische Union gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Menschenrechte in Zukunft noch stärker unterstützen sollte

Die Europäische Union ist eine der wichtigsten finanziellen Unterstützerinnen von gewaltfreier Konfliktbearbeitung und Menschenrechten weltweit.2 Viele zivilgesellschaftliche Friedens- und Menschenrechtsorganisationen sind mehr denn je auf diese Unterstützung angewiesen. Denn die Zahl der gewaltsamen Konflikte steigt wieder an, Menschenrechte und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger geraten in vielen Ländern unter Druck. Bedeutung und Wirksamkeit der Instrumente der EU für Stabilität und Frieden sowie für Demokratie und Menschenrechte4 wurden erst 2017 in Gutachten bestätigt.

Warum die Europäische Union keine Staaten aufrüsten sollte, die Krieg führen oder Menschenrechte missachten

Eine neue außerbudgetäre „Europäische Friedensfazilität“ soll mit 10,5 Milliarden Euro gemeinsame Militäreinsätze der EU und die Ausrüstung von Armeen in Kriegs- und Krisengebieten unterstützen, zum Beispiel zur Migrationsabwehr. Damit würde die Europäische Union de facto ihre eigenen Regeln für Rüstungsexporte unterlaufen.

Der Europäische Rechnungshof und die Herausgeber und Herausgeberinnen des deutschen Friedensgutachtens 20188 kritisieren solche Programme zur sogenannten Ertüchtigung von Partnerarmeen wie zum Beispiel in Mali und im Niger, weil sie kaum die genannten Ziele einer Stabilisierung und Friedensförderung erreichten, sogar erhebliche Risiken für die Menschenrechte bergen und oftmals zu noch mehr Gewalt führen, statt sie einzudämmen.

Warum die Europäische Union nicht den Weg zur Militärmacht einschlagen sollte

Ein neuer Europäischer Verteidigungsfonds soll mit 13 Milliarden Euro für Rüstungsforschung und die Entwicklung neuer Waffensysteme ausgestattet werden. Darüber hinaus sollen 6,5 Milliarden Euro für militärische Mobilität, vor allem für schnelle Truppenverlegungen in Europa, zur Verfügung gestellt werden. Die Einrichtung dieses Verteidigungsfonds würde den endgültigen Abschied von der Europäischen Union als ziviles Friedensprojekt bedeuten.

Im zukünftigen Gemeinschaftshaushalt würde mehr als zehnmal mehr in Rüstungsförderung investiert als in Friedensförderung. Es ist zu befürchten, dass die milliardenschwere Subventionierung der europäischen Rüstungsindustrie aus dem Fonds zu noch mehr Waffenexporten führen wird.

Ein Europäischer Verteidigungsfonds verstößt gegen den Vertrag von Lissabon. Dieser verbietet die Finanzierung von Rüstungsprojekten und Militäreinsätzen aus dem Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union.

Die Europäische Union sollte sich nicht an der globalen Aufrüstungsspirale beteiligen, sondern ihr wichtigstes Ziel verfolgen: „den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“