Hintergrund

Im Juni 2014 startete der Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V. (DEAB) mit dem Projekt „FAIR macht Schule!“. Es verknüpft Globales Lernen an Schulen mit dem Thema der nachhaltigen, d.h. an globalen Sozial- und Umweltstandards orientierten kommunalen Beschaffungspraxis. Im Zentrum stehen die Entwicklung und Umsetzung von 2-tägigen Aktionstagen für Schulklassen und Jugendgruppen in Baden-Württemberg, bei denen sich Jugendliche mit den Themen nachhaltiger Konsum, Fairer Handel und nachhaltige öffentliche Beschaffung kritisch auseinandersetzen und bei einer Stadtrallye mit verschiedenen öffentlichen und privaten Akteuren zu Sozial- und Umweltstandards in Dialog treten. Die Projekttage mit den Schüler*innen werden von geschulten Multiplikator*innen begleitet.

Seit der zweiten Projektphase ab September 2016 gibt es ergänzend zum Angebot für Schulen auch Aktionstage für außerschulische Jugendgruppen unter dem Titel „FAIRändere deine Stadt!“.

Ein ähnliches Projekt wird bereits vom entwicklungspolitischen Landesnetzwerk in Rheinland-Pfalz ELAN erfolgreich umgesetzt. Der DEAB arbeitet seit 2008 im Bereich der nachhaltigen Beschaffung mit Kommunen und seit 2012 auch gezielt mit Schulen im Globalen Lernen.

Globales Lernen schafft Kompetenzen für nachhaltige Entwicklung in einer globalisierten Welt

Um gesellschaftliche Veränderungen im Sinne von mehr globaler Gerechtigkeit zu erreichen, braucht es informierte und engagierte Bürger*innen. Das Globale Lernen versteht sich als pädagogische Antwort auf die Erfordernisse einer nachhaltigen Entwicklung der Weltgesellschaft und befähigt Menschen, globale Zusammenhänge zu verstehen, zu analysieren und Handlungsoptionen zu entwickeln. Es fördert die Kenntnisse und Kompetenzen, die notwendig sind, um eine zukunftsfähige Welt selbst mitzugestalten – zuhause, in der Kommune oder Schule bzw. Kirchengemeinde. Globales Lernen regt an, bestehende Strukturen kritisch zu hinterfragen, nach Alternativen für mehr weltweite Gerechtigkeit zu suchen und diese auch politisch einzufordern. Es vermittelt dabei Kompetenzen aus den Bereichen „Erkennen“, „Bewerten“ und „Handeln“, wie sie im Orientierungsrahmen des Lernbereichs Globale Entwicklung (BMZ/KMK 2015) formuliert sind.

Die Beschäftigung mit Fragestellungen der globalen Entwicklung, weltweiter Armut und Klimawandel, mit den Zukunftsperspektiven der Weltgesellschaft und mit einem Lebensstil in globaler Verantwortung gehört zum schulischen Bildungsauftrag.

In Baden-Württemberg bieten die Bildungspläne in allen Fächern und Schularten zahlreiche Anknüpfungspunkte für Globales Lernen. Es leistet einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Leitperspektiven Bildung für nachhaltige Entwicklung und Verbraucherbildung. Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partner*innen ist hier eine Möglichkeit für Schulen, Globales Lernen umzusetzen, die Chancen des Globalen Lernens zu erfahren, Globales Lernen in den Schulalltag zu integrieren und die Schule zu einer „Fairen Schule“ zu entwickeln.

Verwandter Artikel

Umwelt- und Sozialstandards in Produktion und Handel: Menschenwürdige Arbeitsbedingungen in den weltweiten Lieferketten

Textilien made in Bangladesh, Orangen aus Brasilien, Coltan aus dem Kongo im Handy: Die Globalisierung hat längst Einzug gehalten in unseren Konsumalltag. Die Kehrseite der Produktvielfalt aus aller Welt: Viele Produzent*innen in Süd- und Mittelamerika, Asien, Osteuropa und Afrika arbeiten für Hungerlöhne, Kinderarbeit ist kein Einzelfall. Sozial- und Umweltstandards in Produktion und Handel werden in vielen Ländern der Welt nicht eingehalten, sie sind jedoch Teil einer gerechten Gestaltung der Globalisierung und nachhaltigen Entwicklung und tragen unter anderem zur Armutsreduzierung und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, Umwelt- und Klimaschutz weltweit bei.

Fairer Handel – Mehr als ein fairer Preis für die Produzent*innen

Weltweit trägt der Faire Handel für Produzent*innen und ihre Familien zu menschenwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen bei. Gerechte Bezahlung, Vorfinanzierung, langfristige und transparente Handelsbeziehungen sind die Kriterien des Fairen Handels. Sozialverträgliche und ökologische Produktionsbedingungen sind die Basis für ein nachhaltiges Wirtschaften. Die Organisationen der Produzent*innen werden dadurch gestärkt. Sie sind Trägerinnen von Empowerment-Prozessen auf politischer Ebene: Sie leisten wichtige Arbeit für die Einhaltung der Menschenrechte und für den Schutz der Natur. Außerdem werden Investitionen in Gesundheitsversorgung, Bildungsprojekte etc. in ihren Gemeinden getätigt. 

Gegenüber Politik und Wirtschaft sendet der Faire Handel ein starkes Signal, dass Handelsregeln gerechter gestaltet werden können, wenn Mensch und Natur ins Zentrum des Handelns gerückt werden. In der Bevölkerung schafft er ein Bewusstsein für die Auswirkungen der Globalisierung und zahlreiche Menschen nutzen die Möglichkeiten, sich im Fairen Handel politisch und/oder zivilgesellschaftlich zu engagieren. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass die Möglichkeiten des Fairen Handels, Ungerechtigkeiten im internationalen Handel zu beseitigen, begrenzt sind. Dazu bedarf es struktureller Veränderungen, die der Faire Handel im Rahmen seiner politischen Arbeit benennt und einfordert: Er benennt politische Missstände, entwickelt Lösungsvorschläge und konkrete politische Forderungen, trägt diese an Politiker*innen heran und baut in öffentlichen Kampagnen politischen Druck auf, z.B. für eine gerechtere Handelspolitik.

Fachgeschäfte für den Fairen Handel sind die Weltläden, hier gibt es ausschließlich fair gehandelte Produkte. Importorganisationen des Fairen Handels sind zum Beispiel GEPA, dwp, El Puente und BanaFair. Im Supermarkt erkennt man fair gehandelte Produkte am Fairtrade-Siegel. 

Links

Nachhaltiger Konsum

„Heute so leben, dass auch übermorgen alle leben können – überall auf der Welt“ – nachhaltig konsumieren heißt, nicht auf Kosten von Umwelt und Menschen anderer Weltregionen zu leben und möglichst wenige Rohstoffe und Energie zu verbrauchen.

Inwiefern halten Unternehmen Sozial- und Umweltstandards ein und übernehmen Verantwortung in der weltweiten Lieferkette? Was bedeutet Fairer Handel? Verbraucher*innen können sich informieren und bewusst sich für Produkte entscheiden, die unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Zum nachhaltigen Konsum gehört auch, über Alternativen zum Neukauf von Produkten nachzudenken – wie Second-Hand-Produkte, Kleidertausch, Reparieren oder Upcycling. Bürger*innen können sich jedoch nicht nur als verantwortungsvolle Konsument*innen für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen weltweit einsetzen, sie können auch politisch aktiv werden und sich zum Beispiel an Kampagnen und Unterschriftenaktionen beteiligen.

Kommunen als Vorbilder mit Marktmacht: Nachhaltige öffentliche Beschaffung

Mit einer nachhaltigen Beschaffung kann die öffentliche Hand einen Beitrag zur Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards leisten, indem sie eine Vorbildfunktion einnimmt und Marktmacht ausübt. Bund, Länder und Kommunen geben jährlich über 350 Mrd € für die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen aus, das entspricht rund 13% des Bruttoinlandsprodukts. Damit kann die öffentliche Hand die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten entscheidend beeinflussen.

Die über 1000 Kommunen in Baden-Württemberg machen einen großen Teil des öffentlichen Auftragsvolumens im Land aus. Sie beschaffen mit Steuergeldern Produkte wie Kaffee, Tee, Textilien, Natursteine, Blumen, IT-Geräte und Spielzeug. Beim Kauf über öffentliche Ausschreibungen geht es meist um Funktionalität und Preis. Zwar achten immer mehr Kommunen z.B. auf ökologische Kriterien bei der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen, soziale und menschenrechtliche Standards sind jedoch deutlich seltener im Blick. Vorreiterkommunen haben erste Schritte unternommen, sich ihrer globalen Verantwortung zu stellen und haben einen Beschluss gefasst, bei der Beschaffung Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), wie z. B. die Konvention Nr. 182 zum Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit, zu beachten. Nur in wenigen Fällen wird jedoch eine umfassende nachhaltige öffentliche Beschaffung auf Basis unabhängiger Siegel praktiziert. 

Landeseinrichtungen in Baden-Württemberg sind entsprechend der Verwaltungsvorschrift (VwV) Beschaffung vom 1.4.2015 verpflichtet, beim Einkauf von bestimmten Produktgruppen wie z. B. Agrarprodukten, Spielzeug, Natursteinen u. a., die aus Asien, Afrika und Lateinamerika eingeführt werden, die Einhaltung der acht ILO-Kernarbeitsnormen einzufordern. Zudem wurde Produkten aus dem Fairen Handel der Vorrang vor konventionellen Produkten eingeräumt. Dadurch wurde die nachhaltige Beschaffung des Landes deutlich gestärkt.Den Kommunen im Land wird empfohlen, diese Regelung zu übernehmen. Eine seit Oktober 2018 in Kraft getretene Überarbeitung der VwV Beschaffung hat jedoch einige zentrale Schwächen, wie z.B. die gleichwertige Anerkennung von Bietererklärungen für die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen anstelle von unabhängigen Nachweisen, nicht beseitigt und wurde nicht genutzt, um die nachhaltige Beschaffung in Baden-Württemberg zu stärken.Dennoch gibt es zahlreiche Vorreiterkommunen, die mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass eine nachhaltige Beschaffung in Kommunen möglich ist. 

Links

Sozial- und Umweltstandards in weltweiten Lieferketten – Wer kann Einfluss nehmen?